Die Zündholzfabrikation in Gernrode

Gernrode hat seine ehemalige Zündholzfabrikation "Friedrich Moldenhauer" zu verdanken.
Friedrich Moldenhauer wurde 1797 als 3. Kind des Gernröder Bürgermeisters, "Johann Karl Friedrich Moldenhauer", geboren.
Das 5. Kind des Bürgermeisters, "Karl Moldenhauer", wird 1801 geboren.

Karl Moldenhauer
1832 gelingt, nach langem experimentieren, "Friedrich Molden-
hauer" in "Darmstadt" die Herstellung von "Phosphorzünd-
hölzern". In dieser Zeit kommen aber, unabhängig voneinander, weltweit mehrere Forscher.
"Friedrich Moldenhauer" weist seinen Bruder "Karl" in die Pro-
duktionstechnik ein.
1833 hat "Friedrich Moldenhauer" dem "Feuerzeugbetrieb A. Link" in Darmstadt die erste Zündholzfabrik in Deutschland angegliedert. Ihm gelingt es diesen Industriezweig in Deutsch-
land heimisch zu machen. Die Begriffe "Streichfeuerzeug" und Streichhölzer" stammen auch von ihm.
Motiviert durch seinen Bruder "Friedrich", gründet "Karl Moldenhauer" in der "Marktstrasse 2" in "Gernrode" 1834 zusammen mit seinem Schwager "Johann Kronenberg" (Maschinenmeister im Eisen-
hüttenwerk Mägdesprung) die "erste Streichholz- und Maschinenfabrik" in Gernrode. In fabrikmäßiger Handarbeit und in Heimarbeit wird ein immer höher Umsatz erreicht. Jahresproduktion 1850- ca 100 Zentner und sie können noch neue Arbeitskräfte einstellen.

Marktstrasse 2 im Jahr 2008
Nach ständigen aufwändigen Versuchen gelingt es "Friedrich Moldenhauer" 1839 das "Gummi-Arabikum" durch eine Bindemasse aus tierischen Leimen, Kreide und später durch Zugabe von Magnesia zu ersetzen. Gleichzeitig gelingt es ihm, den penetranten Geruch zu binden.
Ab 1847 gibt es Verbesserungen des "Phosphorzündsatzes" (Zündkopf) durch Zugabe von Braunstein und Manganoxyd.
1857 stirbt "Johann Kronenberg" und "Karl Moldenhauer" beginnt dann 1865 mit der Her-
stellung von "Schwedischen Sicherheitszündhölzern.
Im Jahr 1866 stirbt "Prof. Dr. chem. Friedrich Moldenhauer" als Fabrikbesitzer und Dozent der Chemie und Mineralogie an der "Technischen Hochschule" in Darmstadt.

Lindenstrasse 7
"Karl Moldenhauer" vererbt die Fabrik 1867 seinem Neffen "Emil Paeßler" (1819-1896). Als Kompagnon ist "Louis Schumann" mit verantwortlich. Der Fir-
menname lautet nun: "Paeßler und Schumann".
Der Schwiegersohn von "Karl Moldenhauer", "Otto Laddey" errichtet auf dem Grundstück "Linden-
strasse 7" (seit 1833 im Besitz der Familie Molden-
hauer) die "zweite Streichholzfabrik". Diese große Fabrik hat schon eine industrielle Produktionsform, es werden bereits Schälmaschinen installiert. Außerdem standen für die etwa 100 Beschäftigten ein Wasch- und ein Aufenthaltsraum zur Verfügung. Neben Phosphorhölzern wurden bengalische und Illuminationshölzer und auch Sicherheitszündhölzer (Schwedenhölzer) hergestellt. Die Palette der Etiketten umfasst ca. 60 verschiedene Motive. Die Schachtel mit 75 Hölzern Inhalt kostet nur 1 (!) Pfennig.
1870 trennt sich "Louis Schumann" von "Emil Paeßler". Er baut die "dritte Streichholz-
fabrik" in der "Bahnhofstrasse 34". Sie ist ausgerüstet mit guten Maschinen. Die Herstel-
lungsweise garantiert eine gute Qualität und dies zu günstigen Preisen. Beschäftigt sind etwa 20 bis 25 Arbeiter, 1 Meister, 1 Kutscher und 1 Bote. Seine Erzeugnisse sind Phos-
phor- und schwedische Sicherheitshölzer mit dem Warenzeichen "Markgrafenhölzer". Auf dem Etikett halten zwei Bären das Wappen von Anhalt.
"Emil Paeßler", mit Initialien "EPG", ist nun Alleinbesitzer. Seine Erzeugnisse, "Wappen-
hölzer" genannt, bestehen aus Normal-, Flach-, Sicherheits- und Salonhölzern. Diese Produktion steht aber im Schatten der beiden Firmen "Laddey" und "Schumann".

Das Qualitätszeichen "Quadriga" aus späterer Zeit"
"Otto Laddey" ist Mitbegründer des "Vereins Deutscher Zündholzproduzenten (-fabrikanten)" und ihr künftiger Schriftführer. Als er sich 1884 zur Ruhe setzt wird er Ehrenmitglied des Vereins.
Auf der "Weltausstellung", 1873 in Wien, zeigt die "Zünd-
holzfabrik Otto Laddey Gernrode/Harz" seine Produkte. Ein dazu angefertigtes Exponat ist noch vorhanden.
1887 erfolgt die Eintragung des Markenzeichens "Quadriga" in das Markenregister und gilt als Qualitätsbegriff.

"Steuernummer 33"
Otto Laddey April 1887- März 1894
Bild:J.Hofmann
"Emil Paeßler" verkauft seine Firma 1892 mit allen Rechten an Herrn "Georg Schwie-
ning" aus Kassel.
Dieser löst 1893 die älteste Streichholzfabrik in Gernrode auf. Er verlegt die gesamte Fabrikanlage nach Bettenhausen (Hessen), um dann dort den Industriebetrieb weiter-
zuführen.

Steuernummer 40a
Otto Laddey jun. März 1894- März 1903
Bild:J.Hofmann
"Otto Laddey" überschreibt 1894 seinem Sohn "Otto jun." mit allen Verantwortungen die Fabrik. Sein neues Markenzeichen sind "Reichsfeuerzeug" und "Pfeilhölzer".
Um 1900 kosten 10 Normalschachteln mit insgesamt 600 Hölzern 10 Pfennig.
1903- "Otto Laddey jun." zeigt wenig Flexibilität zur Führung der Fabrik, sie steht kurzvor dem Konkurs. Sein Schwager, Kaufmann "Max Hoffmann" in Qued-
linburg und Komerzienrat "Wilhelm Meyer" springen als Werleiter ein. Sie gründen den Betrieb zu einer "GmbH" um. als Geschäftsführer werden "Ing. Carl Bender" und Prokurist "Wilhelm Krüger" eingestellt. Die Palette der Produktion wird um Bengal-, Mag-
nete- und Vulcanhölzer erweitert.
Ab 1905 führt "Max Hoffmann" mit seinem Prokuristen "Wilhelm Krüger" die Firma unter dem Namen "Otto Laddey, Inh. Max Hoffmann" mit dem Qualitätszeichen "Quadriga" allein weiter. Zur Erleichterung der Produktion werden nachstehend aufgeführte Maschi-
nen angeschafft: 1 Schachtelmaschine zur Herstellung von Schachteln, 1 Verpackungs-
maschine, 1 Schälmaschine, 1 Funkmaschine dazu 1 Füll- und Funkmaschine für die Sicherheitshölzer. Alle Produkte werden auf maschinellem Wege gefertigt und ersetzen damit körperlich schwere Arbeit. Dennoch werden auch weiterhin etwa 100 Personen beschäftgt. Sie stellen in kurzer Zeit (täglich?) 1,5 Millionen Hölzer her. Diese positive Bilanz ermöglicht zugleich niedrige konkurrenzfähige Preise.
"Louis Schumann" überträgt seinem Sohn "Hubert" als rectmäßigem Nachfolger die Verantwortung der gutflorierenden Fabrik. Ihr modernes Herstellungsverfahren ent-
spricht den Vorschriften und geschieht mit Schäl-, Hobel-, Abschlags- und Einlegema-
schinen. Zum Gedenken an "Gero" wird das Markenzeichen "Gero-Hölzer" mit dem Abbild des Markgrafen gewählt.
Ein Reichsgesetz verbietet die Benutzung von gelben und weßen Phosphor. Gütekontrollen werden Pflicht.
Der Prokurist "Ing. Carl Bender" scheidet bei "Otto Laddey, Inhaber Max Hoffmann" aus.
In Folge der 1909 eingeführten "Zündwarensteuer" kommt es zu Liquidationen deutscher Zündholzfabriken. Nur gefestigte Fabriken vermögen diese Mehrbelastung zu widerste-
hen. Diese Regelung verdoppelt den Preis und vermindert den Inhalt auf 55 Stück. Stichproben werden gesetztlich vorgeschrieben.
Zum ausgleich dieser erhöhten Steuerbelastung hat die firma "Laddey" die Herstellung farbenfroher Stäbchenspiele in ihre Produktion aufgenommen.
1910 erweitert die Firma "Schumann" den Betrieb um eine Dampfkesselanlage, einen Pferdestall und ein feuerfestes Gebäude zur Lagerung der noch unbesteuerten Streich-
hölzer(sog. Steuerhaus).
1914 gestaltet die Firma "Laddey" ihre Fachwerkscheune in der Lindenstraße 7 zu einem feuerfesten Lagerhaus um (ebenfalls Steuerhaus genannt).
Bis zum Beginn des 1. Weltkriegs sicherte der billige Import von Espenholz aus Rußland den Holzbedarf. Nun war man gezwungen, teures und kontigentiertes einheimisches Pappelholz zu nutzen. Im Krieg nahmen viele Frauen die Ülätze ihrer Männer ein.
"Max Hoffmann" stiftet für das 1915 neu gebaute Rathaus drei große Fenster für das Trppenhaus.
1916 wird vorübergehend aus den bestzten Gebieten das benötigte Holz beschafft.
1917 gibt es eine erneute Preiserhöhung- 10 Schachteln kosten nun schon 50 Pfennig.
1917- zum 50. Jahrestag der firma "Laddey" (gegr. 1867) spendet "Max Hoffmann" 20.000,00 Mark als Anfangskapital für eine "Jubiläums-Arbeiter-Stiftung". Zweck dieser Stiftung ist Ausbildungsbeihilfen zu leisten und die Kriegswitwen finanziell zu unter-
stützen (Witwenkasse).
1918 gelingt dem schwedischen "Kreuger-Konzern" der entscheidende Einbruch in die deutsche Zündholzindustrie. Ihr vielen zahlreiche Firmen zum Opfer.Der Bestand bis dahin waren immerhin 300 Fabriken. Ein Teil von ihnen wurde von der neuen "Nord-
deutschen Zündholz AG" aufgekauft.
1920 ergänzt die Firma "Schumann" ihre techni-
schen Anlagen um eine Schachtelfüll- und Funk-
maschine sowie um 3 Füllapparate. Die vorhan-
denen Toiletteneinrichtungen werden moder-
nisiert.

Steuernummer 128
W.L.Schumann 1870-1926
Bild:J.Hofmann
Die letzte Schachtel "Gero-Hölzer" der Firma Schumann" läuft am 4. Februar 1926 vom Band. Damit endet die Existenz der "dritten Streichholzfabrik" unserer Stadt. Sie produ-
ziert jedoch noch bis 1939 die von der Firma "Laddey" im Jahr 1927 übertragenen Rechte der Stäbchen-Spiel-Herstellung.
"Max Hoffman" verkauft 1926 das Inventar des Werkes an die "Norddeutsche Zündholz AG" in Berlin. Mit der Weiterführung der Produktion beauftragt er seinen Sohn "Johan-
nes". Am 30. September 1927 wird das Werk stillgelegt.
Auch diese Schließungen der Streichholzfabriken in Deutschland waren Folgen der all-
gemeinen Wirtschaftskrise und trugen zur Erhöhung der Arbeitslosigkeit bei.
"Max Hoffmann" verkauft 1930 die Gebäude der ehemaligen Streichholzfabrik "Laddey" (ohne Steuerhaus) an Herrn "Karl Brinkmann". Dieser richtet hier die "Harzer Celluloidwaren Fabrik Karl Brinkmann" ein. Sein Sohn, Hans-Joachim Brinkmann, rich-
tete auf dem Grundstück im April 1990 eine Siebdruckerei ein. Das Grunstück war also von 1930 an im Familienbesitz und wurde von Hans- Joachim Brinkmann im Jahr 2006 im Zusammenhang mit dem Unternehmensverkauf mit veräußert.

Die ehemalige Zündholzfabrik "Schumann"
1931 entsteht auf dem Grundstück "Schumann" in der Bahnhofstraße ein Gartenbaubetrieb.
Mit dem Tod von "Hubert Schumann", 1939, endet auch die Produktion der Stäbchenspiele. Sein Sohn "Werner" erweitert das Wohnhaus (ohne Steuer-
haus) um einen in Glas gefaßten Blumenpavillon. Heute ist "Peter Schumann" Inhaber der Gärtnerei.
Zwischen 1939 und 1945 wird auf dem beschlagnahmten Fabrikgelände in der Bahnhofstraße 34 ein Kriegsgefangenen-
lager eingerichtet. 66 Polen werden von 6 deutschen Soldaten bewacht.
Nach dem Kriegsende dienten die Räume immer wieder verschiedenen Firmen.
Ab 1951 befand sich in den Räumen die Firma "Kurt Bartsch", ein Gummiverar-
beitungsbetrieb. Heute steht alles leer.
Die "Harzer Uhrenfabrik GmbH" erwirbt 2002 von den Erben "Max Hoffmanns" das bisher von ihnen gemietete Gebäude (Steuerhaus) in der Lindenstraße 7. In diesem befindet sich die gesamte Verwaltung und für ihre vielseitige Uhrenproduktion Musterräume mit Verkauf.
Das Wohnhaus in der Lindenstraße 7 ist auch 2007 immer noch im Familienbesitz.

Das Denkmal für "Friedrich Moldenhauer"
an der Kirche von Gernrode
Diese Seite ist wieder mit freundlicher Unterstützung von Frau Rosemarie Kellermann entstanden. Ich bedanke mich auch im Namen aller Philluministen recht herzlich.

Rosemarie Kellermann
Lindenstrasse 7
06507 Gernrode

Die Bilder der Zünholzschachteletiketten hat mir freundlicherweise Herr Jörg Hofmann zur Verfügung gestellt. Herr Hofmann betreibt selber eine Webseite zum Thema Zündhölzer und Zündholzschachteletiketten. Schaue sie doch mal rein:

www.zuendholzetiketten.de